Mammutstour HOME ÜBER UNS REISE INFO GUESTBOOK CONTACT









REISE


START

START

ASIEN


IRAN

Am 05.09.2014 ging es weiter in den Iran. Von der Stadt Van in der Türkei aus waren es laut Karte noch geschätzte 150km zur Grenze in den Iran und es war 16:00Uhr, als ich mich auf den Weg dorthin begab. Es ging hoch in die Berge bis über 2700m. Mal war eine Straße da, mal nicht. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30km/h, ging es teils offroad über staubige Schotterpisten. Es war schon dunkel geworden und die Sicht gleich null. Entweder wurde in einem Flugzeug die WC-Spühlung betätigt oder jemand da oben machte sich einen Spass mit mir und dachte „Hi, hi, jetzt siehst du gar nichts mehr!“. Es fielen nämlich nur ein paar Tropfen vom Himmel aber durch den Staub auf der Scheibe, verschmierten die so sehr, dass ich auf einmal blind fuhr.



Wie in den Bergen so üblich, ist neben einem der tiefe Abgrund und keine Leitplanke davor, was die Angelegenheit noch etwas spannender machte. Irgendwann konnte ich endlich halten, um auf Mammut zu klettern und die Windschutzscheibe zu waschen. Keine 20km weiter auf der Staubpiste, schickte wieder jemand zum Spass 98Tropfen direkt auf die Scheibe. Es war wie Achterbahn fahren in der Nacht. Auf einmal versperrte an einer Nebenstrasse das Militär den Weg. Sie schauten mich an, grinsten und winkten mich mit ihrer MP durch. Ein Schild zeigte nach links in die Nebenstrasse mit der Aufschrift „Iran“, das GPS war der Meinung, ich sollte den Strassenverlauf geradeaus folgen und kannte gar keine andere Strasse. Ich wollte ja in den Iran und so folgte ich dem Schild.

Nach 10km wurde die Strasse immer enger und die Schlucht neben mir immer tiefer. LKW kamen mir entgegen und ich musste ziemlich gefährlich nah an die Kante fahren, um sie passieren zu lassen. „Das kann hier niemals richtig sein! Wahrscheinlich landest Du in irgendeinem Ziegendorf in den Bergen vom Iran!“ dachte ich bei mir und fand an einem Staudamm, ein paar Kilometer weiter einen Wendemöglichkeit. Zurück beim Militär parkte ich Mammut und ging noch einmal die Schilder inspizieren. Da ich weder eine Karte in Papierform, noch eine für das GPS vom Iran hatte, fing ich an die auf den Schildern angegebenen Orte in den Reiseführern von der Türkei und dem Iran zu suchen. Ich fand nichts! Auf dem Schild stand „Iran“, ich wollte in den Iran und so fuhr ich in den Iran!

Auf schmalen Wegen am Abgrund und den entgegenkommenden LKW vorbei kämpfte ich mich mit dreckiger Scheibe über Stunden durch die Berge, ohne zu wissen wohin ich eigentlich genau fuhr. Nach 7h Fahrt kam ich an eine Baustelle. Links und rechts parkten LKW und Kleintransporter. Die Strasse wurde einspurig und es fehlten plötzlich ca. 10m von dieser. Ich hielt an, blickte von oben auf das Loch, als jemand mit einer Taschenlampe mir zu verstehen gab, dass ich da durch fahren sollte und ich tat es. Nun stand ich mitten auf einer Baustelle ohne sehen zu können, wo denn die Strasse weiter gehen würde. Ich stieg aus und latschte herum. Aha, es war der Grenzübergang, der sich gerade im Bau befand. Es war nun schon 23:00Uhr und keiner kam mehr rein oder raus. Also übernachtete ich auf der Baustelle.

10:00Uhr morgens machte ich mich auf in den Kampf. Es war nur ein kleiner Grenzübergang aber geschätzte hundert Fahrzeuge standen davor und wollten von allen Seiten durch das Nadelöhr der Baustelle. Ein Iraner war so freundlich und liess mich in die Reihe, mit Hilfe von drei anderen, die mich in Millimeterarbeit einrangieren halfen. Zwei Stunden später stand ich vor dem türkischen Grenztor. Ich gab dem Beamten meinen Pass plus Fahrzeugpapiere worauf er mir mitteilte, dass ich einen Stempel in meinem Pass bräuchte. „Einen Stempel? Ich bin doch deutscher Staatsbürger, wo soll denn da ein Stempel von der Türkei rein?“ fragte ich ihn. „Tino, you need a stemp in your Passport. Please go in the office right side!“ sagte er darauf und Tino ging in „the office right side“.



START

TSCHECHISCHE
REPUBLIK


SLOWAKEI

UNGARN

SERBIEN

MAZEDONIEN


GRIECHENLAND

TÜRKEI

IRAN

TÜRKMENISTAN

UZBEKISTAN

KIRGISISTAN


CHINA

NEPAL

INDIEN

PAKISTAN

IRAN II


TÜRKEI II

GEORGIEN

ARMENIEN

GEORGIEN II

TÜRKEI III


BULGARIEN


RUMÄNIEN

MOLDAWIEN

RUMÄNIEN II

UKRAINE

POLEN

DEUTSCHLAND

EUROPA

ASIEN
             





















Ein kurdischer Truckfahrer nahm sich mir an und begleitete mich in „the office“. Es dauerte eine Weile und nur durch einen Blick aus dem Flurfenster, begriff der Beamte, wie ich Motorrad und LKW gleichzeitig fahren konnte und daher auch zwei Zulassungen hatte. Die „office“ glich einem Abrisshaus. Total verdreckt, voll Müll, es stank und aus den WC-Räumen kam eine Lache auf den Steinboden in „the office“ geschwommen.

Es dauerte und ich musste Mammut an die Seite fahren, um den Stau aufzulösen. Nach einiger Zeit bekam ich auch meinen Pass zurück, einen neuen Stempel konnte ich darin aber nicht finden. Kaum durch das Tor gefahren, winkte mich schon die Iranische Miliz mit ihren MGs an die Seite. Es folgten die üblichen Fragen, woher ich komme, wohin ich will und warum. Ob ich alleine reise, was ich im Iran will, was ich in der Türkei gemacht habe und warum.

Nachdem alles gesagt war, hieß es: „Open!“. Ich fragte womit ich beginnen solle, ob sie erst alle Staufächer außen durchwühlen oder lieber erst innen das Bettlaken lüften wollten. Sie zeigten auf ein Staufach und ich öffnete es. Dies war voll mit Schmiermitteln, Fett, Öl, Putzlappen und sonstigem. Das war nicht so spannend und auch noch schmutzig, dann doch lieber erst den Innenraum.


Also klappte ich das Motorrad beiseite, sprang mit sportlichem Schwung hinten auf Mammuts Terrasse und öffnete die Tür. Natürlich liess ich die Leiter schön hängen, wo sie hing und zog mir noch in aller Ruhe die Schuhe aus und betrat das Wohngemach. Klappte zur Schau der unten stehenden Miliz alle Türen auf, zeigte mal die Duschbrause raus und mal eine Kiste mit Kochgeschirr u.s.w. Keiner hatte nun Lust vor den anderen dort hochzuklettern und sich von seinen Springerstiefeln zu trennen und die Kontrolle war vorbei, sowie meine drei Kisten Wein gerettet.

Weiter ging es mit viel Papierkram. Erst zum Chef in einem Ledersessel vor großem Schreibtisch, der mir einen Stuhl anbot und nach ein paar Fragen irgendwelche Kringel auf die Rückseite der Carnet de Passages malte. Dann draußen zum Fahrzeugkontrolleur, der auch welche aufmalte, dann zu einem Schalter wo es noch einmal 30min brauchte, bis der Idiot begriff, wie es möglich war, dass ich Motorrad und LKW gleichzeitig fahren konnte und dann mit zwei Zetteln wieder zurück zum Fahrzeugkontrolleur.

Der stellte unangenehme Fragen und sagte, wenn ich Alkohol dabei hätte, sollte ich lieber gleich wieder zurück in die Türkei fahren und so weiter. Ich sagte ihm, dass ich das natürlich wüsste und keinen dabei hätte. Die ganze Zeit über wurde ich von einem jungen Beamten begleitet und es ging noch hier und dort hin, bis ich nach geschlagenen vier Stunden endlich mit allen Stempeln und Genehmigungen die Grenze passieren konnte. Da der junge Beamte mir auch viele Laufwege abnahm und immer sagte, ich könnte ruhig auf ihn warten, drückte ich ihm hinter der Schranke noch zum Dank 10,-$ in die Hand und gab Gas.


Natürlich wird die Grenzabwicklung nicht bei jedem so lange gedauert haben aber wenn deutscher Mann alleine reist, mit LKW und Motorrad, noch aussieht wie ich und freiwillig in den Iran will, ist etwas Skepsis schon gerechtfertigt. 16:00Uhr, auf in den Islam! Noch immer wusste ich nicht, wo ich mich befand, fuhr einfach immer nur gerade aus. Kippte zur Sicherheit noch 20L aus einem Kanister nach, da ich natürlich mit dem letzten Tropfen eingereist war und begab mich auf die Suche nach der nächsten Tankstelle.

Die ersten Dörfer sahen sehr arm aus. Es war heiß und staubig, so wie ich es mir auch vorgestellt hatte. Zu meiner Überraschung, akzeptierte schon die zweite Tankstelle US-Dollar und füllte mir ohne Dieselberechtigungsschein den Sprit in die Tanks, dass hatte ich durch meine Internetrecherche anders in Erinnerung. Der Diesel war zwar spott-billig im Iran aber sehr knapp, da sie ihn in Fässer füllten und auf dem Kaspischen Meer an die Schiffe vertickten. Ausländern gaben sie wohl daher nur ungern davon ab und behielten ihn lieber für ihre LKW-Fahrer bereit. Daher konnte man an der Grenze überteuerte Berechtigungsscheine erwerben, die den Tankwart zur Herausgabe verpflichteten.

Ich bekam jedenfalls ohne diesem, viel schneller als ich dachte, für 70,-$ 411L Diesel in die Tanks gefüllt, also für umgerechnet ca. 0,13€/L und konnte meine Fahrt mit gutem Gefühl fortsetzen. Der Tankvorgang war dennoch etwas beängstigend, denn zwei Tankwarte standen mit brennender Zigarette die ganze Zeit neben mir und warfen die Dinger dann noch zur Krönung, ohne sie vorher auszudrücken, direkt in die Diesellache vor die Zapfsäule und meinen Füßen. Hätten sich dort Benzingase angesammelt gehabt, wäre es zu diesen Zeilen hier nicht mehr gekommen.


Wohin ich eigentlich fuhr wusste ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht und mit der arabischen Schrift auf den Schildern konnte ich nur wenig etwas anfangen, bis ich auf einmal in lateinischer Schrift „Orumiyeh“ las. Dank meines Reiseführers vom Trescher Verlag wusste ich nun, dass ich mich die ganze Zeit auf den richtigen Weg befand und war etwas erleichtert. In der Stadt angekommen, war ich im Chaos. Meine Taktik, für mir unbekannte Städte ist immer erst einmal gerade aus zu fahren, nach Orientierung  zu suchen und im Notfall so wieder zurück zu finden. Und so fuhr ich drauf los. Den Fängern an der Grenze war ich entkommen und wollte lieber zu einem besseren Kurs, mein Geld in einer Stadt wechseln aber was heißt „Bank“ auf Arabisch und wie wird es geschrieben? Das Gekritzel an den Gebäuden liess nicht erkennen, was davon eine Bank war.

Im linken Augenwinkel entdeckte ich einen Geldautomaten und verließ schnell auf der rechten Seite die dreispurige Bahn. Parkte Mammut in einer Seitenstrasse und hatte nun zwei zweispurige und zwei dreispurige Bahnen zwischen mir und dem Automaten. Ich wetzte im Affenzahn hinüber und wurde gejagt von kaltblütigen Attentätern, die mit ihren Autos auf mich zu rasten. Ich gewann den Wettlauf und der Automat war sogar der englischen Sprache mächtig. Er zeigte an, dass er die zugehörige Bank meiner Karte nicht kenne. Na gut, die DeutscheKreditBank muss ja nun auch nicht jeder kennen dachte ich so bei mir und drehte mich um, zu den zwei Iranern die wartend hinter mir standen.


Der erste wandte sich mit den Worten „Nix Englisch!“ gleich von mir ab und der zweite grinste nur und gab mir zu verstehen „Nix VISA in Iran!“. Also versuchte ich ihm klar zu machen, dass ich eine Bank suchte, um Geld wechseln zu können und er gab mir mit Händen und Mimik zu verstehen, dass ich über die nächsten zwei Brücken fahren und mich dann rechts halten sollte, schrieb mir in Arabisch die Adresse auf einen Zettel und ich rannte darauf wieder mit dem Tod im Auge über die Bahnen.

Ich folgte seiner Wegbeschreibung und landete im Nichts. Nachdem ich ausgestiegen war, umzingelte mich eine Horde Iraner und sie plapperten auf mich ein. Der eine von Ihnen hatte keine Zähne mehr, sprach aber am lautesten und bespuckte dabei meinen linken Arm aber ich stand dichtgedrängt und konnte nicht fliehen. Ich zeigte meinen Zettel, worauf sie einen Alten herbei holten, der einen anderen den Auftrag gab, mich zu begleiten und wir fuhren los. Quer durch die Stadt in entgegengesetzter Richtung, verstopften im wilden Wendemanöver mehrmals den Verkehr und parkten mitten auf einer Nebenstrasse.

Hier war Mammut sofort umzingelt und bekam jede Menge Aufmerksamkeit. Ich sollte hier parken, lieber da oder doch besser dort. Nach vielen Fotos rissen wir uns los und keine 10min später, saß ich bei einem Nudel- und Reishändler, in seinem kleinen Geschäft. Das war also nun die Bank! Er glaubte mir nicht, dass ich wirklich nur 50,-$ wechseln wollte und fragte immer wieder nach mehr aber ich dachte nicht daran. Mir war schon klar, dass der Kurs nur mies sein konnte, brauchte aber etwas cash, um überleben zu können. Er gab mir 75Scheine a 20.000,-Rials also 1.500.000,- Rials dafür und wir zogen wieder ab.




Zwei Geschäfte weiter fragte ich nach einer Strassenkarte vom Iran und man erklärte meinen Begleiter den Weg dorthin. Es war ein Kiosk und ich bekam eine Karte in arabischer Schrift! Na toll dachte ich, kaufte meiner Hilfe zum Dank noch eine Schachtel Zigaretten und machte mich wieder zurück zu Mammut. Dort wurde ich schon erwartet. Ein kleiner Mann in rotem Seidenhemd und Anzugshose, stand im Mafiosilook mit gespiegelter Sonnenbrille breitbeinig da. Er gab mir die Hand, begrüßte mich und erkundigte sich in sauberen Englisch nach meinem Befinden. Klappte sein Portemonnaie auf und zeigte mir seinen Dienstausweis: „Police“.

Das konnte nur ein Witz sein, wie in einem schlechten „Miami-Vice-Film“ aber es war keiner! Nach ewigen hin und her, Passkontrolle und den üblichen Fragen, liess er mich aber ziehen. Nur raus aus dieser Stadt ging mir mal wieder durch den Kopf und ich raste los. Laut meiner arabischen Karte, verglichen mit den paar Angaben im Reiseführer, führten zehn (!) Strassen aus der Stadt von denen nur eine richtig sein konnte. Ich fand nach Ewigkeiten sogar ein Schild, auf dem „Tabriz“ stand, in die Richtung in die ich wollte aber nicht die Strasse dazu.

Irgendwann schoss ich einfach eine Schnellstrasse entlang, an der ich auf einer Einbuchtung hielt, wo zwei Typen von ihrem PickUp herunter Getränke verkauften. Ein Kunde stand schon vor mir da und ich gab den Verkäufer zu verstehen, dass ich das gleiche haben wollte wie er. Der Typ nahm ein dünnes Fladenbrot, zerdrückte darauf mit seinen dreckigen Fingern zwei Pellkartoffeln, legte noch ein gekochtes Ei dazu, Blattpetersilie und scharfen Tomatensalat mit Zwiebeln, rollte die Teigtasche zusammen und fertig war mein Essen.




Geschmeckt hat es, verdünnt mit zwei Orangenlimos und er war mir nun etwas schuldig und sollte mir auf meiner arabischen Karte zeigen, auf welchen Weg ich mich denn nun gerade befand. Es war natürlich genau der falsche und ich wendete an der nächsten Gelegenheit. Ich kam in einen vierspurigen Kreisverkehr, in dem ich mittendrin hielt, um mir das Geschehen anzusehen. Ein Hupkonzert brach los und ich verstand erst nach meiner Beobachtung das Prinzip. Es ging darum, ordentlich Gas zu geben und den anderen Angst zu machen aber auch bereit zu sein, jeden Moment eine Vollbremsung einzulegen, denn nur einer konnte gewinnen. So schoss ich Kamikaze ähnlich durch den Verkehr, den ich eigentlich erst in Indien erwartet hätte. Die einzige Regel die es gab war: „Jeder gegen jeden!




Wieder fragte ich, wieder fuhr ich falsch. Nun hatte ich fast alle zehn Strassen durch und es gab nicht mehr viele zur Auswahl. Es wurde schon dunkel und so fuhr ich durch eine riesige Baustelle, die ich zuvor immer gemieden hatte und war auf den richtigen Weg. Da man dort eine Brücke baute, mussten wohl alle Verkehrsschilder entfernt werden, Pech für Leute wie mich!





Am späten Abend fuhr ich dann über das größte Binnengewässer des Irans, dem Orumiyeh-See. Er ist fast sechsmal größer als der Bodensee und es führt ein 15km langer Damm darüber, mit einer 1,3km langen Brücke. Sie wurde gebaut, damit sich die Wassermassen des nördlichen und südlichen Seegebiets austauschen können. Es war ein tolles Erlebnis, denn Wasser war kaum da, dafür jede Menge abgelagertes Salz, das mit dem Horizont verschmolz.




Im Reiseführer stand dazu: „Durch die steigende Wasserentnahme aus den Zuflüssen und trockeneres Klima ist seine Durchschnittliche Fläche zwischen 2000 und 2010 von 4700 auf 3100 Quadratkilometer geschrumpft. Der Wasserspiegel sank in dieser Zeit um 4m und sein Salzgehalt nahm von 30% auf 38% zu, womit er nun höher ist, als der des Toten Meers."




Ich blickte auf ein helles endloses Nichts und machte einige Bilder davon. Vor der Brücke stand mal wieder Miliz, die dritte Strassensperre, seit meiner Einfahrt in den Iran. Nach einem Lächeln aus dem geöffneten Fenster der Fahrertür, winkten sie mich aber auch hier wieder ohne Kontrolle durch.




Nun war es schon dunkel, meine Windschutzscheibe immer noch dreckig und ich daher ohne Sicht. Nach ca. 20km gab ich auf und fuhr auf eine Einbuchtung direkt an der Strasse, zu anderen LKW und übernachtete dort. Morgens klopfte es am Fenster. Mal wieder Miliz, die AK47 oder ähnliche Bauart im Anschlag! Kontrolle, ich lächelte, es wurden die üblichen Fragen gestellt, der Pass kontrolliert, Mammut geöffnet und sich freundlich verabschiedet.

Bis auf den morgendlichen Weckdienst begann der Tag ganz gut. Die Sonne lachte und ich hatte seit einer Woche endlich mal wieder festen Stuhlgang, so konnte ich auch einen Kaffee zu meinen Nussnugatcremebroten genießen. Mein Ziel an diesem Tag war „Kandovan“ ein idyllisches Felsen-Dorf mit Höhlenwohnungen in den Tuffstein-Felswänden gehauen. Es war gut ausgeschildert aber in dem Ort davor (Osku) standen Schilder, die eine Durchfahrt für LKW verboten. Ich ignorierte dies und fuhr durch schmale Gassen, verstopfte jegliche Zufahrt, fuhr durch Menschenmengen hindurch und einem Markt. Wurde eingeladen, an einer islamischen Religionsveranstaltung teil zu nehmen und man verstand dort meine Absage nicht. Waren doch so viele extra deswegen von weit her angereist.




Am späten Nachmittag erreichte ich jedenfalls mein Ziel. Sogar Alarmanlagen in den Fahrzeugen hatte Mammut ausgelöst, als wir zu dicht an ihnen vorbei gepoltert waren. Das Dorf, na ja, aus dem wurde eine mega Touristenattraktion für Iraner gemacht. In Spanien habe ich schon so etwas ähnliches gesehen, dass hatte mir besser gefallen.













Motiv im Reiseführer (2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2013)




Motiv am 07.09.2014!







Bevor die Sonne unterging wollte ich zurück im Tal sein und fuhr rechtzeitig los. Diesmal versuchte ich den Ort zu umfahren aber kein Schild in Latein, wies mir den Weg. Ich fragte mich durch und hielt zuletzt vor einem Kreisverkehr ohne Beschilderung. Ein Mann kam des Weges und ich bat ihn um Hilfe. Er gab sich richtig Mühe, zeichnete mir die Wegbeschreibung sogar noch auf, schüttelte mir herzlichst die Hand, lächelte und sagte: „Welcome in Iran“. Er freute sich sichtlich und wollte mich erst gar nicht gehen lassen. Nachdem ich am besagten Kreisverkehr gewendet hatte, stand er noch an der Straße und winkte mir zu. Ich hupte ein paar mal zur Verabschiedung und konnte doch tatsächlich seiner Beschreibung folgen.




Nun auf den richtigen Weg, kam ich an eine Kreuzung, wo mich ein Wagen überholte aus dem eine ältere Frau im schwarzen Tschador mich anschrie. Ich dachte nur, was habe ich denn jetzt falsch gemacht aber sie zeigte immer auf Mammuts Heck und so stieg ich aus um nach zu sehen. Oh shit!

Die neuen Schweißnähte an der Motorradhalterung hatten gehalten aber nun war ein Gewindebolzen (M12!) einfach mittig durch geschert!  Aber nicht nur das, auch die Befestigung am Fahrzeug war weggerissen (2 Schrauben M8) und der Stoßdämpfer, der im ausgeklappten Zustand verhindern sollte, dass die Halterung samt Motorrad bei Schräglage oder Wind einfach wieder an das Fahrzeug klappt, war völlig Schrott.

Im Iran hatten sie zur Geschwindigkeitsreduzierung, in den Ortschaften überall Bodenwellen in den Asphalt gegossen und diese waren auch nicht oder nicht mehr, farblich markiert. Wenn man sie also zu spät sah, bretterte man so darüber. Die Halterung mit Susi baumelte also während der Fahrt hin und her und hing nur noch auf halbachte. Es war stock duster, ich stand mit Warnblinkanlage an einer vielbefahrenden Kreuzung, mitten in der Stadt.

Mit Spanngurten versuchte ich so gut es ging Susi am Fahrzeug zu befestigen und war den anderen Autofahrern hilflos ausgeliefert. „He, where you come from? He, what's  your name? Hello mister welcome in Iran!...“ Irgendwann wagte ich den Start und fuhr mit dem Blick mehr in den Rückspiegel, als nach vorne, Stadt auswärts. Es war ca. 21:00Uhr und die Lokale geöffnet aber die Werkstätten am Straßenrand natürlich alle längst geschlossen. Aber wie es immer so ist, brannte in einer noch Licht.

Ein 29jähriger stand noch mit seinem Kollegen an einer Drehbank. Er lernte seit einem Jahr Englisch, konnte noch nicht viel, wusste noch nicht einmal was ein „girl“ ist aber es reichte. Sie begutachteten den Schaden, hatten aber kein Schweißgerät. Ich sollte bis zum nächsten Morgen warten, dann wären die anderen Werkstätten wieder geöffnet und dann könne man mir helfen, sie wären aber nur noch bis Mitternacht da. Ich fragte ob es neben den Gebäuden sicher wäre und ich dort übernachten könne und sie lachten nur, hinter ihnen wäre die Armee. Na gut dachte ich, vielleicht sicher für euch aber sicher für mich!? Ich parkte dort.

In „Van“ in der Türkei hatte ich ein nettes deutsches Paar getroffen, die mir aus ihrer Heimat ein kleines Fläschchen Kräuterlikör mit den Worten schenkten, dass es für sie beide zu wenig wäre und sie es eh nicht mit über die Grenze in den Iran nehmen könnten. Ich konnte! Da der Abend nun für mich gelaufen war, goss ich mir ein Glas Cola ein, holte den Flachmann aus meiner Kühlbox und tat ihn hinzu. Um die leere Flasche nicht noch mit mir rumzufahren, warf ich sie gleich aus dem Fenster, auf die Müllhalde neben Mammut.

Ich schloss das Fenster wieder und hatte die Hand noch an dem Griff, da klopfte auf einmal einer dagegen. Völlig erschrocken steckte ich den Kopf hinaus und sah zwei Soldaten vor mir stehen. „Tino, du bist ein Vollidiot!“ schoss es mir durch den Kopf. Hatte ich doch glatt den beiden Soldaten den Flachmann direkt vor die Füße geworfen. Ach du Sch...! „Yust a minute please!“ sagte ich und sprang in meine Hose, kletterte Sekunden später vor in die Fahrerkabine und raus zu den Soldaten.

Ehe sie was sagen konnten plapperte ich auf sie ein und lief dabei um Mammut herum und zeigte ihnen den Schaden. Sie sahen sich die Sache an, nickten und gaben mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich ihnen folgen sollte. Dies tat ich dann auch ganz brav. Plötzlich drehten sie sich um und blickten mich fragend an. Sie zeigten auf Mammut und winkten mit der Hand, dass auch er folgen sollte. „Äh yes OK, yust a minute please.“ Ich sprang in Mammut, robbte nach hinten, kippte mir meinen Cocktail in den Hals, verstaute das Glas und saß Sekunden später auf dem Fahrersitz.

Sie öffneten ein großes Stahltor und ich fuhr auf einen Hof, der aussah wie ein großer Schrottplatz. Es standen mehrere zerlegte LKW herum, darunter auch ein alter Mercedes Rundhauber, jede Menge Schrott plus Müll und es gab dort Werkstätten nein, Garagen mit etwas Werkzeug darin. In einer brannte Licht und ich sollte dort rückwärts ranfahren.

Es kam noch der 29jährige Dreher und ein junger Mechaniker hinzu, der die Arbeiten verrichten sollte. So fingen wir mitten in der Nacht zu fünft an, die Motorradhalterung wieder instand zu setzen. Es wurde geschraubt, geschweißt und geschliffen. Wir fanden eine Art der Verständigung und ein paar Stunden später war ausser dem Stoßdämpfer alles repariert. Jetzt konnte endlich gegessen werden und ich wurde natürlich herzlich dazu eingeladen. In der Kaschemme der beiden Soldaten ließen wir uns nieder und einer bereitete auf einem Campingkocher in einer alten, dreckigen ALU-Pfanne in Zwiebeln gebratene Geflügelleber zu.

Eine Delikatesse, wie mir versichert wurde. Sie legten eine Decke auf den Boden, stellten die Pfanne in die Mitte und wir setzten uns in einer Runde (natürlich ohne Schuhe) darum. Dazu gab es sehr dünnes auf heißen Steinen gebackenes Fladenbrot „Lavash“. Jeder riss sich ein Stück davon ab, packte mit einem Löffel etwas aus der Pfanne darein, rollte das Ganze zusammen und aß es so. Zum Nachtisch gab es Melone.











Der Mechaniker fragte ob ich Wodka dabei hätte, was mich sehr überraschte und sie erklärten mir, dass es unter der Hand schon Alkohol zu kaufen gebe, er aber sehr teuer wäre und man sich nicht erwischen lassen dürfe. Ich schenkte ihm eine „Schnapsbirne“. Ein Werbegeschenk das ich mal bekam. Eine kleine Flasche mit 40prozentigem Klaren gefüllt, in Form einer Glühbirne. Die Freude war groß und er berechnete mir danach auch nur umgerechnet 15,-€ an Lohn.

Nachdem ich ihnen noch Mammut von innen gezeigt hatte und viele Fotos gemacht waren, boten sie mir an auf dem Hof zu übernachten. Ich dachte aber an die vielen Arbeiter oder Soldaten, die am Morgen da sein und mich in Beschlag nehmen würden und entschied mich lieber noch etwas zu fahren. Um 01:30Uhr öffneten sie das große Stahltor wieder und ich übernachtete ca. 20km weiter auf einem LKW-Rastplatz.

Dort blieb ich auch noch den darauf folgenden Tag, da der Parkplatz asphaltiert war und ich so bequemer die Wartungsarbeiten an Mammut durchführen konnte. Das Protokoll gab wieder: Verteilergetriebe leckt, Halterung vom Unterfahrschutz vorne links ist gebrochen, Motor der Scheibenwaschanlage ist defekt, Türgriff vom Wohnkoffer aussen ist lose und lässt sich nicht mehr befestigen.



















Am 09.09.2014 startete ich dann gegen Mittag wieder Richtung Teheran, wo ich gegen 23:00Uhr eintraf und feststellen musste, das nun beide Halterungen vom Motorrad wieder abgebrochen waren (M12). Eine Flasche Wein beruhigte das Zucken an meinem Hals und liess mich einschlafen.








Den nächsten Tag liess ich ruhig angehen. Ich stand in einer Sackgasse neben einer Tankstelle und machte mich erst am Nachmittag auf die Suche nach einer Werkstatt, die ich schon nach ein paar hundert Metern fand. Ein alter Mann war mit seinem Handlanger dabei ein Stahltor zu bauen und ich bat ihn mir auf die Strasse zu folgen. Ich erklärte ihm wie ich mir die Reparatur vorstellte, er nickte und ich begab mich an das Staufach an der Seite um Werkzeug zum abklemmen der Batterien zu holen. Als ich eine Minute später um die Ecke kam, war er schon am Schweißen. Es war eh zu spät und so liess ich es geschehen, rannte aber noch schnell in seine Werkstatt um ein Blech zu holen und Susi damit vor weiteren Schäden zu schützen.

Nachdem er zwei Rohre aufgeschweißt hatte und wir die Halterung samt Susi aus der Befestigung am Koffer lösten, sackte diese um ganze fünf Zentimeter ab und passte so natürlich nicht mehr in die Befestigung. Er holte ein Rohr und hebelte damit die Halterung von Susi wieder hinein und schaute mich mit fragendem Blick an, so unter dem Motto: „Was hast Du denn? Es geht doch!“ Der Handlanger war schon dabei das Schweißgerät von der Strasse zu räumen und ich musste ihn dabei unterbrechen. „So kann das nicht bleiben!“ gab ich den beiden zu verstehen. Da Susi am Heck direkt vor die Eingangstür geklappt wurde, musste ich ja die Halterung auch ständig auf und zu klappen und wollte diese natürlich nicht jedes Mal mit einem Rohr in die Befestigung rein oder aus dieser raus hebeln.

Mit einem Trennschneider kam er nicht an die Schweißnähte, um diese wieder zu lösen und so blieb uns nichts anderes übrig, als seine aufgeschweißten Rohre wieder zu durchtrennen. Sie wollten schon längst Feierabend gemacht haben und gingen nun etwas hektischer ans Werk. Aber ich liess mich nicht aus der Ruhe bringen und bat ihn noch ein Rohrstück anzuschweißen, damit ich die Halterung mit einem zusätzlichem Gurt sichern und entlasten konnte. Um 19:30Uhr war er mit seiner Brutzellei dann fertig, nahm mir 300.000,-Rials (7,25€) dafür ab und ich konnte wieder von dannen ziehen. Die Batterien blieben zum Glück heile.


Des Meisters Werk:




Da ich mich um ein Visum für China kümmern wollte, fuhr ich weiter auf der Suche nach dem Zentrum von Teheran, dass war ein Fehler! Geschlagene drei Stunden dauerte die Fahrt in nördliche Richtung durch die Stadt. Dort angekommen und kein Parkplatz gefunden, stand ich an einem Wendepunkt und fuhr den Berg wieder hinunter, weitere zwei Stunden. Hunderte Autos und Menschen verstopften jede Gasse. Stadtauswärts fand ich endlich am Strassenrand einen Platz und fiel tot müde ins Bett.

Um 2:30Uhr kam dann der Weckdienst. Ich öffnete und musste mir das Lachen verkneifen. Draussen stand diesmal nicht die Miliz, nein es war die Police. Drei Typen und sie hatten auch Strampelanzüge an aber kein MG dabei. Das brauchten sie auch nicht, denn der eine von ihnen hatte ein weißes Tuch um die Stirn gebunden und sah so lächerlich damit aus, wie eine witzige Comicfigur. Es hätte nur noch gefehlt, dass er in die Luft springt und ein paar Karate-Bewegungen dazu macht. Wahrscheinlich war er im Nahkampf ausgebildet und hätte mich mit einer Hand töten können.

Ich krauchte über das Bett in die Fahrerkabine und holte meinen Pass. Als ich damit zurückkehrte, stand Karate-Kid mit einer leeren Flasche Wein von mir in der Tür und fragte wohl so etwas wie: „Was ist denn das hier bitte schön?“ Ich nahm ihn die Flasche aus der Hand, drehte sie um und sagte auf deutsch: „Schau her, die ist leer! Ich wollte sie noch in den Müllcontainer hinter dir werfen!“ und zeigte auf diesen. Das liess er gelten. Es folgte das Übliche, dass ich hier nicht ständig wiederholen will.



TEHERAN:









Morgens noch etwas benommen, lief ich nach drei Kaffee auf die Strasse und gab Hussain, mein Taxidriver für den Tag, ein Zeichen. Er war 30Jahre lang bei der Air-Force und sprach gut Englisch. Hussain war 54Jahre alt, hatte eine Tochter und einen Sohn, die beide noch studierten. Er erklärte mir, dass wenn man sich im Iran dazu entschlossen hätte zu heiraten, auch den Rest seines Lebens zusammen bliebe, was aber nicht unbedingt immer einfach wäre. Sein etwas längeres, nach hinten gekämmtes Haar, ergraute nach ihm auch aus diesem Grunde.

Es war heiß an diesem Tag und wir kamen nur langsam voran. Mal wieder im Stau, sprang ich aus dem Wagen, um uns zwei kühle Cola zu holen. Ich stand vor zwei Typen und dem Kühlschrank direkt neben ihnen. Der eine war am telefonieren und der andere schaute mich mit großen Augen an. Zwei Cola bitte, sagte ich in Englisch und zeigte dabei auf diese. Der mit den großen Augen schaute den telefonierenden (scheinbar sein Chef) fragend an, worauf dieser nickte. So nahm er eine Cola aus dem Schrank und hielt mir diese fragend ins Gesicht. „Yes, two please!“ sagte ich zu ihm zeigte auf mein Taxi, dass schon 50m weiter stand und versuchte ihm klar zu machen, dass ich es eilig hatte. Er aber nicht!

Er nahm eine zweite Dose aus dem Schrank und verschwand. „Was macht er denn jetzt noch?“ schoss es mir durch den Kopf. Er kam wieder und hielt eine Plastiktüte für die zwei Dosen in seiner Hand, ich hätte ihn schlagen können. Jetzt stand er da und blickte seinen Chef wieder an, denn es musste ja noch kassiert werden. Meine Geduld war am Ende, der Verkehr floss längst wieder und ich wurde laut! Hielt ihm ein Bündel Geld vor sein Gesicht und redete auf ihn ein, doch endlich was davon zu nehmen. In aller Seelenruhe wechselte der Chef, noch immer telefonierend, dann endlich die Kohle und ich rannte meinem Taxi hinterher.

Die Fahrt zur chinesischen Botschaft dauerte ca. zwei Stunden. Nach ein paar Telefonaten mit Kollegen von Hussain, fanden wir um 12:10Uhr dort hin. An einer Gegensprechanlage erklärte mir dann eine Dame, dass wir dort falsch wären und es ein neues Botschaftsgebäude geben würde. Hussain fragte mehrere Polizisten und so standen wir dann auch um 13:00Uhr vorm richtigen, dass um 14:30Uhr wieder geöffnet haben sollte. Ich brauchte dringend eine Internetverbindung aber Hussain meinte, dass es am Wochenende schwierig werden würde, ein offenes Internetcafé zu finden. „Es ist Donnerstag!“ sagte ich darauf und er antwortete: „Genau!“ sah mein fragendes Gesicht und erklärte mir, dass im Iran das Wochenende von Donnerstag bis Samstag ginge.

Ich lud Hussain zum Essen ein. Für 200.000,-Rials (ca. 4,84€) bekamen wir Kebab mit Salat und zwei Cola dazu. In der Botschaft erklärte man mir dann ganz freundlich, dass ich erst eine unterzeichnete und abgestempelte Passbeglaubigung aus der deutschen Botschaft bräuchte, die aber bereits seit 14:00Uhr geschlossen hätte. Da nun das besagte Wochenende beginne, hätten sie auch erst wieder am Sonntag geöffnet. Ich bat Hussain mich zurück zu Mammut zu bringen, wo wir um ca. 17:00Uhr landeten.



         





Hinter Mammut ist der blaue Müllcontainer zu sehen, in dem ich eigentlich schon die Weinflasche entsorgt haben wollte und hinter dem Taxi der durch die lange Ehe leicht ergraute Hussain.



Da ich nun jede Menge Zeit hatte, wollte ich diese auch nutzen und an das Kaspische Meer im Norden fahren und mich etwas erholen. Hussain knöpfte mir 1.000.000,-Rials ab (ca. 30,-€) und bot an, mich noch zur richtigen Autobahn zu bringen, in dem er voraus fuhr. Also spülte ich noch schnell meinen Unrat vom Morgen ab und wir düsten los.

Nach einem kurzen Winken trennten sich unsere Wege aber mit der Vereinbarung, dass ich ihn am Sonntag anrufe, egal wo ich dann in der Stadt lande und er mich zu den Botschaften bringt. Nach 30min Fahrt stand ich im Stau. Aus fünf Spuren wurden schnell acht gemacht und so ging es im Chaos stockend voran. Wie wohl überall auf der Welt, hat mind. die Hälfte der Fahrer das dringende Bedürfnis, 5,6Sekunden eher am Ziel zu sein, als die anderen und fängt bei jeder sich bietenden Gelegenheit an, auf den Spuren hin und her zu springen. Sie ändern dadurch weder die Staulänge, noch kommen sie schneller voran, erhöhen aber das Unfallrisiko um ganze hundert Prozent. Ich schaute mir das Spektakel von oben an, schüttelte über soviel Dummheit immer wieder den Kopf und machte ein paar Fotos davon, als geschah, was geschehen musste.

Ich fuhr gerade ein Stück vorwärts, als es neben mir übelst rumpelte, knirschte und quietschte. Ein vorsichtiger Blick in den Rückspiegel machte klar, der weiße Wagen neben mir, hatte nur noch einen. „Wow, schon der zweite auf deiner Reise, mal schauen wie viele es werden!“ ging mir durch den Kopf, als jemand schon an Mammuts verschlossenen Beifahrertür zerrte und dann wutentbrannt immer wieder mit der Hand dagegen schlug. Ich stieg aus und schaute den aufgebrachten Typen ganz tief in die Augen. Ging auf ihn zu und machte auch nicht halt, als ich direkt vor ihm stand. Eine Frau kam dazwischen und erklärte mir, dass sie gefahren wäre und ich sie übersehen hätte. Damit hatte sie recht, denn ich hatte meinen Blick nach vorne, um niemanden aufzufahren und fing nur an zu lachen, was ihr gar nicht gefiel.

Schräg gegenüber standen auf einer Abzweigung ein paar Polizisten und die Dame wollte, dass wir dort hin fuhren. Ich aber nicht! Wenn sollten sie auf die Autobahn kommen, Mammut bliebe stehen, wo er steht, gab ich ihr zu verstehen. Der Stau hatte sich aufgelöst und so fuhren nun alle hupend an uns vorbei, was auch die Polizisten bemerkten und herbei eilten. Sie erzählte mir während dessen etwas von der Air-Force und bediente ihr Telefon. Wir sollten auf den Seitenstreifen fahren, dann wurden die Führerscheine (ohne Fahrzeugpapiere) mitgenommen und wir hatten zu warten. Einer der Polizisten brachte mir  eine Flasche gekühltes Wasser und so stand ich nun da.

Einige Zeit später kam einer um Mammut zu besichtigen und ich beteuerte ihm meine Unschuld, was ihn aber nicht besonders interessierte. Es kamen noch viele Schaulustige herbei, die sich sichtlich für Mammut interessierten und ein Polizist erklärte mir, dass man mit einem LKW am Wochenende nicht auf Autobahnen fahren dürfe (es war ja Donnerstag) und auch wenn ich unschuldig wäre, es sich im Iran bei einem Unfall so gehören würde, dass man als Mann der Frau den Schaden erstatte. Darauf erklärte ich ihm, dass ein paar Schilder für Ausländer wie mich sehr hilfreich wären und fragte wer den Schaden bezahle, wenn alle Iraner nur noch ihre Frauen fahren lassen würden. Darauf hatte er keine Antwort und sagte nur, dass es im diesen Fall ja nun mal so wäre und ich antwortete, dass ich ihm den Quatsch nicht glaube.

Die Frau hatte versucht sich auf der rechten Seite an Mammut vorbei zu drängeln und wollte wohl gerade nach links einscheren, um sich mit der Motorhaube schon einmal zwischen Mammut und dem Fahrzeug davor zu schieben, als ich losfuhr! Es verging jedenfalls ca. eine Stunde, als plötzlich noch mehr Beamte dazu kamen. Sie waren von der Air-Force, zu der die Dame wohl Beziehungen hatte. Hoch wichtig und gestriegelt, liefen sie in ihren Lackschuhen an mir vorbei. Nach Begrüßung der Dame und den Polizisten, kamen sie nach kurzem Gespräch dann zu mir. Einer fragte mich ob ich Englisch sprechen könnte und ich antwortete ihm mit, „ja natürlich“.  Darauf fragte er mich, woher ich komme und dann war es auch schon vorbei, mit seinen Englischkenntnissen. So ging es mir öfter im Iran.


Er zeigte auf weiße Lackspuren an Mammuts Trittstufenverkleidung und ich sollte ihm darauf zum Wagen der Frau folgen. Dort angekommen, sah ich zum ersten Mal den vollen Schaden. Nicht nur der Spiegel war abgebrochen, sondern beide Türen waren zerkratzt  und die Schutzleisten abgerissen. Mit dem Reifen hatte Mammut dann schöne große, runde, schwarze Kringel auf den Lack dazu gemalt. Sah nicht gut aus! Ich zuckte nur mit den Schultern hielt die geöffneten Handflächen nach vorne und schaute ihn unter dem Motto „Und nun?“ fragend an. Er erzählte dann irgendetwas, was ich nicht verstand. Ein Zuschauer kam vorsichtig dazu, begrüßte mich und fragte, ob er übersetzen solle, worüber ich sehr dankbar war.

Darauf fragte er für mich den einen Beamten von der Air-Force, was ich denn falsch gemacht hätte. Der fragte dann, ob ich nach links oder rechts gefahren wäre und ich erklärte, dass weder das eine noch das andere zu treffen würde. Ja die Dame sonst auch eine Beule in ihrem Fahrzeug hätte. Nicht ich wäre an ihr vorbei gefahren sondern sie an mir! Es verging noch eine weitere Stunde, in der die Frau plus die ihr begleitenden Männer, mit wilden Artikulationen auf die Beamten hin und her liefen und ich mich ganz ruhig mit den Schaulustigen am Strassenrand aufhielt. Irgendwann kam ein Polizist mit meinem Führerschein wieder und erklärte, dass ich nun fahren könne, wenn ich der Dame nicht noch vorher Geld geben möchte. Mein Glück kaum fassend, sprang ich in Mammut und  war in Sekunden zurück auf der Bahn.





Den genauen Weg nach „Chalus“ am Kaspischen Meer, hatte ich mir in der Zwischenzeit schon erklären lassen und nun wollte ich auch dort hin. Es konnten nur noch ca. 150km sein aber niemand hatte mir gesagt, dass diese mal wieder durch die Berge verliefen. Am Anfang war noch alles gut, die Strasse langgezogen, die Kehren weit genug und es war hellichter Tag aber das sollte sich schnell ändern!




Schon bald war es dunkel und wir krachten über eine Bahn, so breit wie daheim die Bürgersteige. Eine nicht endende Autoschlange kam mir auf den ganzen Kilometern entgegen und eine in der gleichen Länge, hatte ich hinter mir. Es kam ein Tunnel ohne Höhenangabe und ich kniff nur die Augen zu aber wir passten hinein. Es tropfte von der Decke und von den Seiten drückte sich Wasser durch das Gestein, es glich einer Geisterbahn.

Die Scheiben nun vom Staub der Strassen und dank der Tropfsteinhöhle mal wieder verschmiert (die Scheibenspritzanlage war ja defekt) fuhr ich erneut fast blind. Den Abgrund konnte ich im Dunkeln ja zum Glück nicht sehen aber die Felsvorsprünge im Scheinwerferlicht, die gefährlich weit auf den „Gehweg“ ragten. In Gedanken gerade versunken, wie ich dieser lebensgefährlichen Gebirgsfahrt am besten meinem Tagebuch gerecht werden könne, kamen wir rechts von der Fahrbahn ab.

Wie versteinert griff ich mit beiden Händen in das Lenkrad und liess geschehen, was geschehen sollte. Mit den linken Rädern noch auf der Fahrbahn und denen auf der rechten Seite ca. 30cm tiefer im Gelände, schaukelte und polterte Mammut handbreit an einer Felswand entlang. Ich sah im Rückspiegel nur eine mega Staubwolke und dachte an das Motorrad. Mammut biss sich aber zurück auf den Asphalt und schaukelte da noch etwas freudig umher.

Nun schaltete ich runter und fuhr weiter links auf Spiegeljagd. Abblendlicht hatte schon in der Türkei keiner und hier auch nicht, was solch Fahrt immer noch aufregender machte. Kehre folgte an Kehre und nur die vielen beleuchteten Restaurants auf dem Weg, entlang des Karaj-Flusses und Staudamms durch das Elburz-Gebirge, gaben etwas mehr Sicht. Für mich gab es schon lange kein „Zurück“ mehr, ich wollte es schaffen. Noch 78km bis Chalus stand auf einer Tafel, also ca. 1,5h Fahrt. Auf einer Einbuchtung hielt ich an einem Polizeiwagen, um die Schlange hinter mir etwas zu verkürzen. Nach der Halterung von Susi zu schauen, traute ich mich gar nicht. Das Kennzeichen stand etwas nach aussen hervor und ich konnte es im Rückspiegel sehen. Sie war noch oben, dass musste reichen.

Die Autos fuhren nun zum Dank hupend an mir vor bei und ein Polizist kam an Mammuts Tür, um ein Gespräch zu führen. Sein Onkel lebte 24Jahre in Deutschland, wäre nun aber wieder im Iran, hatte er zu berichten. Ich drückte ihm meine Freude in Erstaunen aus und er war sofort auf meiner Seite. Sprang mit seiner Kelle auf die Piste und stoppte die kilometerlange Schlange, die seit Stunden hinter mir her schleichen musste. Ich hatte Vorfahrt, soviel war klar. Dankend und in mich rein grinsend führte ich nun wieder die Karawane nach Chalus an.

Zwanzig Kilometer vorm Ziel begann ein „Free-way“ und zwei Meter davor sah ich ein Schild, das die Auffahrt für LKW verbot. Ich riss das Lenkrad herum und polterte nun (mit neidischen Blicken auf den beleuchteten glatt asphaltierten „Free-way“ auf der linken Seite) weiter die alte, dunkle Piste entlang. Nach ein paar Kilometern sah ich ein Fahrzeug mit Blaulicht hinter mir angefahren kommen und verzögerte nach einer Kehre die Geschwindigkeit, um den Fahrer die überschaubaren 300m zum Überholen zu lassen. Er blieb hinter mir! Was für eine Lusche, dachte ich und gab ihm an der nächsten Gelegenheit erneut die Chance dafür, in dem ich noch leicht bremste und den rechten Blinker setzte. Nun traute er sich doch tatsächlich, wartete aber schon ca. 1km weiter an einer Einbuchtung auf mich.

Nie hätte ich damit gerechnet, dass das Blaulicht für mich bestimmt war. Aber es folgte nur eine Kontrolle, das Übliche mal wieder. An dieser Stelle will ich noch kurz erwähnt haben, dass alle Kontrollen von Miliz und Polizei, so reichlich sie auch waren, immer friedlich und ohne rauen Ton abliefen. Sie blieben freundlich, bedankten und verabschiedeten sich auch von mir. Ankunft in Chalus, auf der Suche nach dem Meer.

Die Stadt war hell erleuchtet und hundert kleine Geschäfte befanden sich am Wegesrand. Sie hatten noch geöffnet und vom Schwimmreifen bis zur Melone, hätte ich alles bekommen können. Es gab nur eine zweispurige Strasse in die eine und eine zweispurige in die andere Richtung, also folgte ich dieser. Ich fuhr parallel zum Meer, das war mir schon klar aber wir hatten eine Leitplanke zwischen uns. Sehen konnte ich es im Dunkeln leider auch immer noch nicht und so fuhr ich weiter in der Hoffnung, das Hindernis irgendwann überwinden zu können.

Den Blick immer in Richtung Meer gerichtet, ging es vorbei an unzähligen Wohnhäusern, Geschäften und Mauern. Nicht eine Lücke war dazwischen, die den Blick darauf freigab. Da kam ein kleiner beleuchteter Platz, auf denen Zelte standen und im Hintergrund erahnte ich die lang ersehnte kühle See. Ich wollte darüber aber an den Stellen, an denen die Leitplanke kurz unterbrochen war, standen runde, blaue Schilder mit weißen Pfeil in Richtung Fahrbahn darauf. Da durchzufahren, glich bei den entgegenkommenden Rasern einem Himmelfahrtskommando. Es führten zwar kleine Tunnel für PKW unter der Strasse hindurch aber keine Brücken für große Mammuts darüber.

Ich erreichte den nächsten Ort und fuhr Mammut rückwärts auf eine Einfahrt. Dort wartete ich auf meine Gelegenheit, die bald kam. Gab Gas und schoss über alle vier Fahrbahnen, an einer Lücke zwischen den Leitplanken hindurch. Erst dabei sah ich, dass auf der Gegenrichtung auch so ein blaues Schild stand und es nicht für die Fahrer in dieser Richtung sondern für Wender wie mich bestimmt war, damit sie nicht in die falsche Richtung fuhren. Ich hätte also auch schon längst vorher das Manöver durchführen können, es war erlaubt.

Ich fuhr in den Ort „Nur“ auf den Platz mit den Zelten und blickte um 23:34Uhr endlich auf das Kaspische Meer, das zur Begrüßung Wellen mit weißgeschmückter Krone auf den Strand warf. Mammut mit Sicht auf diesen geparkt, stieg ich aus und hatte gleich zwei Lächeln vor mir stehen. Das eine wollte Geld, das andere mich zum Tee einladen. So saß ich noch zwei Stunden mit drei Teheranern (zwei Brüder 25 und 33 plus einen Freund 28Jahre alt) auf einem Teppich, vor ihrem Kleinbus und versuchte mich wieder im Gespräch mit ihnen. Der jüngere von den Brüdern (der 25jährige) war als einziger von den dreien verheiratet. Er erklärte, dass er nichts vom Islam hielte aber sein Bruder um so mehr.

Er trinke auch Alkohol und hätte die Nase voll von den ganzen Verboten. Um 01:30Uhr überschlug sich ein Fahrzeug auf der Strasse und kam direkt auf die Einfahrt vom Platz geflogen, was ihr Interesse kurz von mir abwendete und ich mich zum Schlaf verabschieden konnte. Sie weckten mich um 07:30Uhr und es kamen noch zwei andere hinzu. Als Ehrengast bekam ich noch einen Gebetsteppich unter mein Sitzkissen gelegt und es ging die ganze Zeit über immer nur "Mister Tino" hier und "Mister Tino" da. Sie ließen erst um 13:00Uhr wieder von mir ab, als sie die Heimreise antraten.







Jetzt konnte ich schwimmen gehen, wozu sie keine Lust hatten. Das Wasser war angenehm kühl und hatte auch nur einen geringen Salzgehalt. Ich kam mir vor wie ein bunter Hund, hunderte Blicke waren auf mich gerichtet. Einen mit blonden Haaren und tätowierten Rücken hatten sie an diesem Ort bestimmt noch nie gesehen.

Es gab auch einen mit Sichtschutz abgetrennten Bereich extra für Frauen, den ich vorher für eine Baustelle hielt aber viele von ihnen nutzen diesen nicht und gingen in voller Montur natürlich mit Kopftuch zwischen den Männern baden. Es war ein seltsames Gefühl, sich zwischen der ganzen Trauerkleidung zu bewegen, die für mich nichts am Strand und erst recht nichts beim Baden im Meer zu suchen hatte. Ich hatte schon viel gesehen von der Welt aber hier kam ich mir zum ersten Mal wirklich fremd vor. Um Mammut herum kreisten die Männer, um zu fachsimpeln und jeder zweite fragte mich woher ich komme. Ruhe fand ich erst in der Nacht wieder.





Die Jungs hatten mir erzählt, dass sie es mit ihren Bus, die 200km über die Berge nicht schaffen würden und daher einen Umweg von 250km in Kauf nehmen mussten. Da dieser Weg weiter an der Küste entlang lief und ich auch keine Lust mehr auf die Geisterbahn hatte, wählte ich auch diesen als Rückweg. Von „Nur“ aus ging es bis „Rasht“ am Kaspischen Meer entlang. Hier war alles schon mehr auf Tourismus eingestellt und ich fand sogar ein Restaurant mit WIFI direkt am Meer.

Dort liess ich mich für ein paar Stunden nieder und lernte den Besitzer näher kennen, der sich genauso wie ich, sehr darüber freute mal ein Gespräch in Englisch führen zu können. Er berichtete mir von der politischen Lage im Land und von den Nöten und Problemen der Bevölkerung, auf die ich hier aber aus bestimmten Gründen nicht näher eingehen möchte. Es wurde mal wieder zu schnell dunkel und ich hatte noch einige Stunden Fahrt zurück nach Teheran vor mir, als mich mitten in einer Stadt die Police rauswinkte.

Einer von ihnen räderte wie bescheuert an der abgeschlossenen Beifahrertür rum, ich stieg aus und brüllte ihn an. Ich öffnete die Tür, zeigte auf den Sitz und schrie ihn auf Englisch an: „Schau her ein Sitz, wow, wie spannend!“ darauf stieg er ein und ich ebenfalls um zu sehen was er vor hatte. Er machte eine Handbewegung, ich solle los fahren. Ach so dachte ich, denn ich war eigentlich der Meinung, er wolle die Fahrerkabine durchwühlen. Ich entschuldigte mich bei ihm und wir fuhren los. Ganze 300m sind wir gefahren und ich musste Mammut an einer Seite von einem Kreisverkehr parken.

Auf diesem stand nämlich der Chef der Bande. Erst sollte ich ihm meinen Pass bringen, dann meinen Führerschein und darauf den Nachweis meiner Fahrzeugversicherung. Jedes Mal musste ich aber über die Bahn zum Mittelpunkt des Kreisverkehres rennen, durch alle Kamikazefahrer hindurch. Was für einen Versicherungsnachweis er wolle, fragte ich ihn. Aber auch in seinem Handy fand er keine englischen Worte, für die nötige Erklärung. Irgendwann schoss es mir aber in den Kopf, dass er die Carnet de Passages meinte.

Es ging eine Weile hin und her. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll und erklärte ihm, dass ich doch nur nach Teheran fahren wollte und nicht wüsste, was er für ein Problem damit hätte. Mein Fehler war wohl, dass ich die Umgehungsstrasse übersehen hatte und am späten Abend mit einem LKW durch die Innenstadt fuhr. Ich sollte zurück nach Chalus und dann wieder durch die Berge nach Teheran fahren, darauf fing ich an mit ihm zu diskutieren. Das es mit dem LKW gar nicht möglich wäre, da die Strassen dort viel zu eng wären, ich schüttelte den Kopf und gab ihn zu verstehen, dass ich das nicht machen würde. Darauf zückte er wieder sein Handy, übersetzte und schrie mich an: „YOU GO!“ Ja OK aber ich stehe mit dem LKW doch jetzt in die falsche Richtung, erwiderte ich und er schrie erneut: „YOU GO!“

Ich resignierte und setzte mich in Mammut, worauf auf einmal der Kreisverkehr gesperrt wurde und ich rückwärts auf diesen fahren konnte. Nun setzte ich meine Fahrt genau auf den gleichen Weg fort, auf dem ich auch gekommen war. Da der Herr sich nicht vernünftig mit mir verständigen konnte und sich vor seinen Leuten wahrscheinlich nicht noch weiter blamieren wollte, blieb ihm wohl keine andere Wahl, raubte mir aber eine ganze Stunde. "YOU GO!"




Einen Ort weiter schrie mich wieder einer an, diesmal aus einem PKW heraus. Ich verstand kein Wort aber er hatte mich schon bald eingeholt und brachte mich zum Anhalten. Ein junger Kerl stieg aus und fragte, ob ich der englischen Sprache mächtig wäre. Nachdem ich das bejahte, holte er eine Frau aus dem Wagen die mir erzählte, dass sein Onkel schon seit über zwanzig Jahren in Deutschland leben würde. Sie war verhüllt, wie alle anderen auch, wirkte aber sehr offen. Er reichte mir sein Handy nach oben und ein Mann erzählte mir in deutsch, dass er auch gerade auf den Weg nach Teheran wäre und am nächsten Tag um 07:00Uhr sein Flug nach Berlin ginge. Dort arbeite er auf dem Kuhdamm, im Lokal eines Freundes. Wir redeten noch ein bisschen über Berlin, er gab mir seine Nummer und wir verabschiedeten uns.

Die junge Frau war schon längst wieder im Wagen verschwunden aber der Kerl stand mit seinem Handy noch eine gefühlte Ewigkeit neben Mammut und quatschte mit seinem Onkel. Irgendwann wurde mir das zu blöd, gab ihm ein Handzeichen und fuhr einfach los. Etwa eine Stunde später, schrie mich wieder einer an und auch er brachte mich zum Anhalten. Es war der Onkel, der sichtlich einen „im Kahn“ hatte. Fünf Euro würde ein Bier im Iran unter dem Ladentisch kosten und der Wodka wäre genauso teuer, er freue sich schon sehr darauf, endlich wieder in Berlin zu sein. Selbst gefahren war er aber nicht, sondern hatte noch zwei Jungs dabei, die ihn zum Flughafen brachten. Wir verabredeten uns auf ein Bier in Berlin und setzten unsere Reise fort.

In „Rash“ begann endlich die Schnellstrasse nach Teheran aber nicht für uns! LKW haben im Iran auf allen Schnellstrassen, auf den meisten Autobahnen und fast überall in den Städten nichts zu suchen. So ging die Fahrt weiter über heruntergekommenen Holperpisten, auf denen es nur selten eine Fahrbahnmarkierung gab und sich ein Loch an das andere reite. Einschlafen war da unmöglich, denn es knallte und polterte die ganze Fahrt über. Natürlich gingen diese Pisten dann auch immer durch die kleinen Ortschaften, in denen Bodenwellen in den Asphalt gegossen waren. Eine Tortur war das! In „Qazvin“ konnte ich aber auf die Autobahn, die von West nach Ost einmal durch das Land führt und gab dann ca. 100km vor Teheran morgens um 05:00Uhr auf. Ich übernachtete auf einen Parkplatz, direkt an der Bahn und kam am Sonntag den 14.09.2014 vormittags in Teheran an.

Um einen Parkplatz für Mammut zu finden brauchte ich Stunden und noch eine weitere, um mit einem Taxi die deutsche Botschaft zu erreichen. Hier sagte die Dame am Schalter, dass ich meine Passbeglaubigung für die chinesische Botschaft, erst am nächsten Tag abholen könnte. Die Sachbearbeiterin, die diese unterzeichnen müsse, wäre den ganzen Tag in einer Besprechung. Da kamen doch gleich Heimatgefühle in mir hoch. Ich erklärte ihr, dass die chinesische Botschaft aber am Montag geschlossen hätte und ich so noch zwei Tage verlieren würde aber das konnte sie natürlich auch nicht ändern. Nun hatte ich mehr Zeit, als es mir lieb war und machte mich mit Mammut auf den Weg um einen geeigneten Übernachtungsplatz zu finden.

Zuvor hatte ich ihn nur am Strassenrand unter Beobachtung von ein paar KFZ-Schraubern stehen gelassen, hätte dort aber nicht die Nacht verbringen können. Das größte Hobby der Iraner ist Picknicken. Sie sitzen überall auf ihren Decken, direkt an oder auch auf den Strassen. Auf Rastplätzen, Bürgersteigen und mitten in der Stadt. Zu jeder Tages- und Nachtzeit aber überwiegend an den Wochenenden. Es sind ganze Wälder und Parks extra dafür angelegt worden aber dort habe ich nur wenige von ihnen gesehen und dann auch nicht auf den quadratischen ca. 3x3m großen Holz- oder Betonbänken, sondern dann saßen sie mit ihren Decken wieder am Rand der Anlage auf dem Boden.

In so einem Park wurde ich jedenfalls fündig und wollte dort eigentlich die Nacht verbringen. Ich war kaum angekommen, stand wieder mal eine Kontrolle durch die Police an. Der Beamte, der Mammut durchsuchte konnte sich von seinen Springerstiefel nicht trennen und robbte daher anstandshalber auf den Knien über den Boden und öffnete alle ihn so erreichbaren Türen. Kaum waren sie wieder abgezogen, kamen ein paar Jugendliche auf dem Motorrad daher und begannen ein freundliches Gespräch aber schon nach kurzer Zeit, wurden es immer mehr und der Ton schon etwas rauer.

Erst wollten sie Waffen von mir und als ich ihnen klar machen konnte, dass ich diese nicht besitze, wollten sie eben Susi haben. Auch das konnte ich ihnen ausreden aber dann forderten sie alles, was sie sehen konnten und wurden dabei immer aggressiver. Ich denke, dass ich noch im letzten Augenblick die Kurve gekratzt habe, da die Situation sonst eskaliert und ich ausgeraubt worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt kam natürlich keine Police vorbei. Ich begab mich also wieder auf die Suche und es vergingen Stunden ohne Erfolg. Leicht gereizt verliess ich dann noch in der Nacht die stinkende Stadt, diesmal in südliche Richtung, zu der Stadt „Qom“.

Die Autobahn dorthin war mal wieder für LKW gesperrt und ein Polizist sagte mir, dass ich die „old road“ westlich von Teheran nutzen müsste. Auf der Suche danach, kreuzte ich noch weitere vier Stunden durch die Stadt, gab dann endlich auf und fuhr einfach auf die „new road“! 110km waren es bis „Qom“ und die ganze Strecke dorthin, war die „new road“ mit Laternen beleuchtet. Alle 50m stand eine auf dem Mittelstreifen, jeweils mit  zwei Lampen, macht 2.200Laternen mit 4.400 Lampen.

Ohne Stop durch die Police, erreichten wir die Stadt. Hier war das berühmte Heiligtum „Fatemeh Masumeh“ zu besichtigen, was nur wenig Eindruck bei mir hinterliess. Mammut hatte ich auf einen Parkplatz, gleich nach der Autobahnabfahrt abgestellt und dort auch übernachtet. Am Montag Morgen kaufte ich mir dann gleich ein Taxi und latschte durch das berühmte Heiligtum. Dort machte ich ein paar Fotos und war gerade auf dem Rückweg, als ich von der Security aufgegriffen wurde.

Diese brachte mich zum „International Relations Office“ wo ich mich vorher hätte anmelden müssen, was ich bewusst unterliess. Vor einem grossen Schreibtisch nahm ich auf einem Ledersofa platz und bekam auf einem Teller, ein mit Saft gefülltes und gekühltes Tetrapack gereicht. Ich plauderte eine Weile mit dem wichtigen Herren und gab ihm zu verstehen, dass er sich den Rundgang mit mir sparen könne. Ich stellte mich dumm, indem ich mich bei ihm entschuldigte und angab, dass ich nicht wusste, dass ich mich bei ihm hätte vorher melden müssen. Nun hätte ich genug gesehen und ausserdem warte mein Taxi draussen auf mich. Das verstand er und nach einer kurzen Verabschiedung, konnte ich die heiligen Hallen wieder verlassen.








Es ging weiter in den Süden nach „Kashan“ wo ich noch einmal für 70,-$ die Tanks voll laufen lies und fuhr von dort aus über die etwa 12km nördlich gelegene Stadt „Aran“ in die Salzwüste. Dort entlang des grossen „Daryacheh-ye Namak“ Salzsees, auf den Spuren des alten Karawanenweges. Auf Pisten und offroad war es ein atemberaubendes Erlebnis, durch den zu dieser Jahreszeit ausgetrockneten See zu fahren und in der Wüste immer wieder auf alte verlassene Karawansereien zu stoßen. Die Hitze war durch leichte Winde gut zu ertragen und die Einsamkeit dort draußen gefiel mir sehr.



















Da ich ja keine Karte vom Iran hatte, nutzte ich einfach den Kompass vom GPS-Gerät und traf nachts auch wieder auf eine Strasse Richtung Teheran, es war die gesuchte „old road“. Vorher galt es aber noch eine Bahnlinie zu überwinden, an der ich Ewigkeiten entlang fuhr und irgendwann eine Durchfahrt in Mammuts Grösse fand. Ein paar waren zuvor schon da aber leider nur für PKW. Auch musste ich zwischenzeitlich ein paar Reparaturen durchführen, denn in der Wüste brach nun auch noch die zweite Befestigung vom Unterfahrschutz vorne links und die für 650,-€ vom ADAC-Lulli reparierte Druckluftleitung viel auch wieder ab.




In Teheran angekommen, brauchte ich wieder Stunden für die Parkplatzsuche. Morgens um 03:00Uhr fuhr ich dann auf das Parkplatzgelände eines kleinen Flughafens „Mehrabad“. Ein Wächter saß nicht mehr im Häuschen und so parkte ich unter ein paar Bäumen am Rande der Anlage. Vier Stunden später wurde ich auch schon geweckt. Wie wild polterte einer gegen die verschlossene Tür und riss an dem defekten Türgriff. Ich versuchte schnell in meine Hosen zu kommen aber es gelang mir nicht. Um weiteren Schaden zu verhindern, öffnete ich splitterfasernackt die Tür und erschrak genauso sehr wie der Herr davor.

Da draussen standen ca. zwanzig bis dreißig Leute von der Miliz, Police, Flug- und Staatssicherheit. Ich dachte ich träume! Man gab mir noch eine Minute für Hose und T-Shirt, dann musste ich beiseite treten. Alles aber auch wirklich (fast) alles wurde durchsucht. Sogar die Bilder auf meiner Kamera wurden gesichtet. Ich versuchte den Leuten klar zu machen, dass ich nur ein Tourist wäre und fragte was dieser Quatsch sollte aber man drückte mich nur zur Seite und bat, mich ruhig zu verhalten.

Ein dicker Herr in Schlips und Kragen betrat den Wagen, setzte sich zu mir auf das Bett und es begann das Verhör. Ich berichtete von meiner nächtlichen Suche nach einem für mich sicheren Parkplatz und erklärte ihm, dass ich weder Spionage betreiben würde, noch ein Attentat geplant hätte. Er lächelte nur, sagte sichere Parkplätze gebe es in Teheran genug und fragte, warum ich so ein Fahrzeug hätte, warum ich alleine unterwegs wäre, warum im Iran und warum ich angeblich kein Smartphone hätte.

Dreimal fragte er noch, ob ich Frühstück und Kaffee möchte, dreimal sagte ich ja und dreimal bekam ich darauf nichts! Ich erzählte ihm von meiner Reise und wie es dazu kam, da viel mir die Homepage ein, die ich ihm umgehend offline auf dem Mac zeigte. Das gefiel ihm und ein paar andere Schlipsträger bequemten sich deswegen auch noch die sechs Stufen nach oben. Irgendwann war der Spuk vorbei und sie zogen wieder ab. Ein Schutzengel (ein Geschenk meiner geliebten Familie) hing die ganze Zeit über dem Bett, auf dem ich mit den wichtigen Herrn gesessen hatte und beschützte meine noch 15Flaschen Wein im Staufach darunter, das hatten sie trotz Kopfkissen lüften nicht entdeckt.

Der ganze Einsatz, mit dem Verhör wurde von Anfang bis Ende komplett gefilmt Wahrscheinlich finde ich mich jetzt eines Tages nackt in einem „YouTube-Video“ wieder. Handynummer und Internetadresse wurden mitgenommen, sowie mein Pass. Ich kochte erst einmal Kaffee. Etwa eine Stunde später kamen sie zurück, entschuldigten sich für ihren falschen Verdacht bei mir, gaben meinen Pass zurück und fragten, ob sie noch etwas für mich tun könnten. Ich sagte ja und bat um einen Anruf bei meinen Taxifahrer Hussain.

Der befand sich aber gerade nicht in der Stadt und sagte, dass er erst in zwei Tagen wieder da sei. Ich erklärte ihnen, dass ich zur Botschaft müsste und dachte dabei an einen Limousinenservice des Flughafens, den sie mir kostenlos zur Verfügung stellen würden. Aber weit gefehlt, sie riefen mir ein anderes Taxi, auf das ich ca. eine Stunde warten und es selbst bezahlen musste. In der Zwischenzeit nahmen auch noch ein paar Typen von der Air-Force für eine halbe Stunde meinen Pass mit und ich denke, danach kannten nun wirklich alle wichtigen Leute im Iran, den komischen nackten Deutschen.

Das Taxi kam und einer von der Air-Force erklärte dem Fahrer, was er zu tun hatte. Unterwegs wedelte ich dann mit einem 100Dollar-Schein herum und versuchte ihm klar zu machen, dass ich als erstes noch Geld wechseln müsste, was er auch mit einem Nicken bestätigte. Er hielt aber freudestrahlend direkt vor der Botschaft, sicher sein Ziel erreicht zu haben. Ich holte wieder den Dollarschein hervor, er blickte mich darauf fragend an, zeigte freudig auf die Botschaft, begriff aber irgendwann, was ich wollte. Wir hielten an einem Schmuckgeschäft, ich wollte zu einer Bank. Die Passbeglaubigung musste in Rials bezahlt werden, 1.030.000,-Rials um es genau zu nehmen, ca. 30,-€.

In den ersten beiden wurde ich erst gar nicht bedient, in der dritten Bank konnte einer Englisch und sagte, dass ich mein Geld lieber auf der Strasse wechseln sollte, da ich dort mehr dafür bekommen würde. Also wieder zurück zu einem Geschäft, dort Geld gewechselt, dann in einem Internetcafé noch schnell den Visumsantrag ausgedruckt, bei einem Essen auf die Öffnung der Botschaft gewartet und dort dann angekommen, sollte die Sachbearbeiterin statt um 13:00Uhr erst um 14:00Uhr wieder da sein. Tino wurde darauf etwas laut und sie konnte sich doch von ihrem Jogurtbecher trennen. Um 13:30Uhr dann mit der Passbeglaubigung ab zu der chinesischen Botschaft, die schon 30min nach Ankunft wieder geöffnet hatte.

Der Visumsantrag musste online ausgefüllt werden, was ich im Restaurant auf der Fahrt von Chalus nach Teheran gemacht und mir im PDF-Format abgespeichert hatte. Der Ausdruck aus dem Internetcafé wies aber Lücken auf, die ich noch schnell per Hand mit einem Kugelschreiber füllte. So konnten sie aber den Antrag natürlich in der chinesischen Botschaft nicht annehmen. Ich zeigte ihnen daher den Antrag noch eimal auf dem Mac und erklärte, dass halt nicht alles davon gedruckt wurde und ich mir das auch nicht erklären könnte aber es half nichts! Kugelschreiber auf dem Antragsformular konnten sie nur in Form der Unterschrift akzeptieren.

Ein junger Kerl bekam die Sache mit und nahm sich meiner an. Calvin ein Iraner, sprach perfekt Englisch und brachte mich in ein Büro, auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Dort hatten sie das Antragsformular, das es nicht in der Botschaft gab, auf dem Rechner. Für 100.000,-Rials konnte ich es dort erneut ausfüllen und sie vervollständigten den Ausdruck noch mit einer Hoteladresse, in dem ich mich nach der Einreise angeblich als erstes aufhalten würde. Ich unterhielt mich noch eine Weile mit Calvin und er lud mich dazu ein, am Abend zusammen mit seinem Bruder in die Stadt zu gehen. Dafür gab er mir sogar noch eine Telefonkarte für die öffentlichen Apparate mit und bat mich ihn nach meiner Rückkehr zu Mammut anzurufen.

Da ich ein Express-Visum beantragt hatte, konnte ich laut Aussage der Dame am Schalter dies auch schon nach Einzahlung von 70,-$ in der Bank auf der anderen Strassenseite, „the day after tomorrow“ abholen. Nach 5Stunden kehrten wir zum Flughafen zurück und der Fahrer berichtete dem Herrn von der Air-Force, von seinem erfolgreich ausgeführtem Auftrag. Der wiederum bat mich dem Fahrer 650.000,-Rials (ca. 19,-€) dafür zu geben, was ich auch gerne tat.

Ich fragte ihn, ob ich nun nach der wilden Aktion von ihnen, wenigstens noch zwei Tage auf ihren Parkplatz bleiben könnte, worauf er erst einmal sein Handy bediente und seinen Chef anrief. Er gab mir das Phone ans Ohr und der Chef fragte, was ich denn so lange machen möchte, was ich ihm kurz erklärte und darauf die Parkerlaubnis von ihm persönlich erhielt. Aber er wollte sich von mir verabschieden und daher sollte ich ihn auf jeden Fall vor meiner Abreise noch anrufen lassen.

Der Taxifahrer brachte mich danach auf den großen Parkplatz, wo ich die Leiter von Mammut mit einer dicken Kette plus Schloss an Susi gesichert auffand. So machte ich mich auf die Suche nach dem passenden Schlüssel dafür und stand nach kurzer Zeit wieder im Büro der Air-Force. Mit einem Wagen fuhr man mich zurück und befreite Susi von der Last. Es ist kaum zu glauben aber ich stand gerade in Mammut, hatte mich meiner verschwitzen Klamotten entledigt um zu duschen, da polterte wieder einer wie verrückt an das Blech. Nach nur vier Stunden Schlaf, lagen meine Nerven ziemlich blank und so riss ich diesmal in Hose aber mit klitschnassem Oberkörper die Tür auf und fragte im lauten Ton was nun noch wäre. Der gleiche Vogel von morgens sagte: „go“!

Ich antwortete: „I think I can stay here the next two days!?“ worauf er kurz telefonierte und sagte: „OK sir!“ Ja was denn nun, schoss es mir durch die Gehirnwindungen und schrie ihn fragend an: „What is, can I stay here or have I to go“? Er antwortete nur mit „go“ drehte sich auf den Hacken um und war verschwunden. Ich wusste nun überhaupt nicht, ob er verstanden hatte, was ich ihn fragte oder ob er das „go“ in meiner Frage, als Aufforderung sah sich zu verpissen aber das war mir dann auch egal. Ich hatte die Faxen gewaltig dicke und packte meinen Kram zusammen.

An der Ausfahrt hielt ich, um mich wie versprochen noch vom Chef zu verabschieden, ging in das Büro von den Heinis aber keines von den mir bekannten Gesichtern war mehr da. So fragte ich noch, ob ich für die Übernachtung eine Gebühr zu entrichten hätte, bevor man mich auf die Fahndungsliste des Landes setzt. Es brauchte aber einige Zeit, bis einer mit drei Worten Englischkenntnissen gefunden war. An einem Flughafen! Der Telefonierte kurz mit irgendjemanden und alle zuckten darauf gemeinsam die Schultern. Nicht weil sie es nicht wussten, sondern da keiner auch nur ein Wort von dem was ich sagte verstanden hatte. Ich haute ab!

Ein paar hundert Meter weiter stiess ich wieder auf einen Polizisten, den ich nach einem sicheren Parkplatz fragte. Auch er verstand kein Wort aber ein leger gekleideter Mann von der Air-Force kam dazu und bot seine Hilfe an. Er hatte ab diesem Moment für eine Woche frei und war daher in Zivil. Er brachte mich nach einiger Zeit Beratung mit den Polizisten zu einem nahe gelegenen Parkplatz, der auch zum Flughafen gehörte und sich auf dem Gelände der Armee befand. Dieser wurde 24h am Tag bewacht und da ich den Jungs dort noch etwas Trinkgeld in die Hand drückte, Mammut ganz besonders gut. Der nette Herr liess zum Abschied noch seine Handynummer, E-Mail- und Facebookadresse da, mit den Worten, dass ich ihn jeder Zeit kontaktieren könne, wenn ich in Teheran noch in Probleme geraten sollte.

Es war nun schon Sonnenuntergang, ich eh zu kaputt um mit Calvin und seinem Bruder noch den Abend zu verbringen und so entschloss ich mich die endlich eingekehrte Ruhe lieber mit einem Buch zu genießen. Am Mittwoch reparierte ich dann neben dem Lesen noch ein paar Dinge an Mammut und verbrachte so den ganzen Tag auf dem Parkplatz. Alle dort hatten schon längst von dem Großeinsatz mit den nackten Deutschen gehört und so genoss ich jede Menge Aufmerksamkeit. Sie begrüßten mich nun, wie einen alten Bekannten und fragten ob sie irgendetwas für mich tun könnten, denn auch ihnen war die Sache etwas unangenehm. Ich brauchte mir jedenfalls nun keine Sorgen mehr darüber zu machen, dort noch einmal kontrolliert zu werden und so waren es nur noch 14Flaschen!
















Der Donnerstag (the day after tomorrow) war gekommen und mein Visum für China abholbereit. Vor dem Besuch in der Botschaft wollte ich duschen, mich umziehen und nach der Rückkehr Teheran gleich verlassen. Da ich noch ein paar Wartungsarbeiten an Mammut zu verrichten hatte, machte ich dies gleich, um später nicht noch einmal duschen zu müssen. Das Motorenöl war schnell aufgefüllt, auch die Scheiben, Fenster und Solarpaneele in kurzer Zeit geputzt, sogar die Schweißstellen an der Motorradhalterung noch mit Zinkstaubfarbe gestrichen, nun galt es nur noch die Lager zu fetten.

Doch die Fettpresse funktionierte aus mir unerklärlichen Gründen nicht mehr. Natürlich nahm ich auf solch einer Reise keinen Heimwerkerkram mit, sondern nicht ganz billiges Profiwerkzeug aber das so ein Mistding nach nur fünf Anwendungen einfach seinen Geist aufgab, ging mir an diesem Tag nicht in die Birne. So fummelte ich noch eine Weile daran rum aber leider ohne jeglichen Erfolg.

Geduscht ins Taxi und ab ging es zur Botschaft. Zwei Stunden später stand ich vor der verschlossenen Tür, es war schon viel zu spät und wir machten uns wieder auf den Rückweg. Da es ein Donnerstag war, begann nun auch das Wochenende und mein Pass sollte noch bis Sonntag auf mich warten müssen. Nun bekam ich zwei weitere Tage Zwangsaufenthalt in Teheran. Auf einen Parkplatz der Armee, direkt an einem Flughafen, auf dem täglich tausend Autos parkten, wie ich später erfahren sollte. Ich berichtete den Angestellten des Überwachungsdienstes von meinem verlängerten Aufenthalt, resignierte und machte es mir erst einmal bequem.

Einer der Angestellten vom Parkplatzservices schlich um Mammut herum und stellte sich mir vor. Rasool, 30Jahre alt, arbeitete als irgend ein Manager bei diesem und war zuvor bei einer chinesischen Firma angestellt, wo er die englische Sprache erlernte. Er sagte, dass er um 20:00Uhr Feierabend hätte und wenn ich möchte, er mir dann Teheran zeigen würde. Dieses Angebot nahm ich gerne an und so fuhren wir mit seinem alten Peugeot in die Stadt.

Er zeigte mir viele Viertel und hatte zu jedem eine Geschichte zu erzählen. In einem trafen sich die Verliebten, weil es dort drei Bäume aber wenig Autofahrer gab und es deshalb so schön war. In einem anderen gab es einen Park, in dem sich die Familien überwiegend an den Wochenenden zum Picknick trafen, so wie auch an diesem. Wir gingen dort spazieren und unterhielten uns über unsere doch so unterschiedlichen Kulturen. Es war für Rasool nicht einfach zu verstehen, dass sich keiner meiner Freunde dafür begeistern könne, mit mir in einem Park spazieren zu gehen, sondern mich eher für verrückt halten würde.

Mir viel es schwer zu glauben, dass er immer noch bei seinen Eltern lebte und sich mit seiner Freundin seit sieben Jahren, nur zweimal in der Woche heimlich traf, da die Eltern der beiden sich nicht verstanden. Es war ein schöner Abend und schon am nächsten Tag wurde ich dem ganzen Team des Parkplatzservices vorgestellt. Sie waren in fünf Containern untergebracht und verfügten dort sogar über einen WLAN-Anschluss, dessen Code ich verbunden mit jeder Menge Tee sofort bekam. Rasool kümmerte sich nun um mich, als wäre ich sein Gast.

Ging er am ersten Tag noch mit mir einkaufen, brachte er am nächsten schon wie selbstverständlich, alles gratis für mich mit. Wir frühstückten gemeinsam mit Rosenmarmelade aus der Nähe von „Kashan“ und Brot mit Nussgeschmack von seinem Bäcker des Vertrauens. Auch Milch hatte er dabei und Butter, nur für mich. Am Abend nahm er drei Beutel Schmutzwäsche von mir mit, die ich schon zwölf Stunden später gereinigt und getrocknet wiederbekam, das ganze aber im Iran für stolze 45,-$.

Am Samstag half er mir meine Wasserkanister zu füllen und mit Hilfe eines Gepäckwagens vom Flughafen über den großen Parkplatz zu rollen. Danach lud er mich ein, zusammen mit einem Freund von ihm, das neue American-Fast-Food-Lokal der Stadt zu testen. Das Menu im KFC wurde mir natürlich spendiert. Es kam der Sonntag und nicht irgend einer, sondern Freund und Taxifahrer Michael bekam die Aufgabe, mich zur chinesischen Botschaft zu fahren. Er sprach kein Wort Englisch, bekam aber von Rasool die klare Instruktion ihn sofort anzurufen, sollte ich weitere Wünsche haben, da er ihm dies dann übersetzen würde.




Nach Einzahlung von 70,-$ in der Bank gegenüber, bekam ich nun endlich meinen Pass wieder und liess Michael von Rasool am Handy übersetzen, dass ich noch dringend einen tool-shop aufsuchen müsste, um eine neue Fettpresse zu erwerben und im besten Fall noch ein paar H4-Leuchten für Mammut, da er links kein Abblendlicht mehr hatte. Wir starteten durch und holten das Zeug. Mit der Billigpresse zurück auf dem Parkplatz, wurden Mammuts Gelenke erst einmal abgeschmiert. Dann eben noch die defekte Birne gewechselt, die jetzt eine höhere Watt-Zahl hatte und ich daher beide tauschen wollte.

Der Depp vom Laden hatte mir aber zwei mit unterschiedlicher Fassung verkauft, von der nur eine passte. Ich ging zu Rassol in einen von den Containern und erzählte ihm von meinem Problem. Ein älterer Herr, der Techniker sprang auf, sah sich die Birne an, lief raus und kam schon zwei Minuten später mit einer richtigen wieder rein und schenkte mir diese.

Danach erarbeiteten wir noch mit allen gemeinsam am PC die beste Route zur türkmenischen Grenze für mich. Darauf machte ich Mammut und mich abreise fertig und nahm Abschied. Rasool musste zuvor noch die Einnahmen des Tages zählen und bat um einen Moment, um dann ganz für mich da zu sein. So fuhr ich Mammut schon einmal in die Nähe der Container, um nach der Verabschiedung gleich starten zu können. Nach 100m Fahrt, klappte das Kupplungspedal plötzlich ohne Wiederstand nach unten. Es war keine Bremsflüssigkeit mehr im Behälter.

Rasool war schon eingetroffen und ich erzählte ihm von meinem Problem. Machte mich darauf sofort daran die Flüssigkeit aufzufüllen und begann die Leitung zu entlüften. Der Wiederstand baute sich auf und gleich wieder ab. Ich schaute unter Mammut und sah eine Pfütze. Meine Pulsader schwoll bedächtig an und ich machte mich mit dieser auf die Suche nach der Leckasche. Es war nichts zu finden, Mammut stand mit angekippter Kabine mitten im Weg und verlängerte meinen Aufenthalt noch einmal um einen Tag.

Morgens kam der Techniker, ein toller Kerl, mit sympathischer Ausstrahlung und er fand in Kürze den Defekt. Der Dichtring vom Kupplungszylinder, tat nicht mehr das was er sollte, dicht halten. Noch waren alle Geschäfte geschlossen aber in einer Stunde würde er wiederkommen und wir uns dann gemeinsam auf die Jagd nach Ersatz machen. Sie kamen zu dritt und wir angelten uns von einer Bude zur anderen. Schon das zehnte Magirus-Deutz-Zeichen an der Tür aber immer nur Ersatzteile für Motoren auf Lager. Auch in dem Geschäft vom Deppen waren wir durch Zufall gelandet und ich konnte noch eine Birne mit richtiger Fassung nachkaufen aber keine Dichtung für die Kupplung.

Nach drei Stunden wurden wir fündig, in einem Krempel-Laden, an dem nichts von Magirus stand und ich nahm für wenig Geld gleich fünf von den Dingern mit. Darauf liefen wir noch in den tool-shop, wo die Freude groß war, den Ausländer noch einmal wiederzusehen. Es wurde Tee gereicht und statt einer Fettpresse, kaufte ich diesmal vier Flaschen Bremsflüssigkeit. Eine weitere Stunde später kuppelte Mammut wieder, als hätte er nie damit aufgehört. Ich muss es eigentlich nicht mehr erwähnen, will es aber! Weder der Fahrer für die Fahrt mit seinem Privatwagen, noch der Techniker für seine Arbeit, nahmen auch nur einen Rial von mir an, luden mich aber noch zu einem Abschiedstee ein.





Völlig aufgelöst von soviel Herzlichkeit, Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, verließ ich am Montag Nachmittag, den 22.09.2014 Teheran, mit einer verlässlichen Wegbeschreibung in der Tasche Richtung Türkmenistan. Auf einen Rastplatz fragte ich zur Absicherung noch einmal zwei Trucker, ob ich mich wirklich auf den richtigen Weg befand und wurde sofort wieder eingeladen, es gab Melonen. Sie fuhren für die Hälfte der Strecke in die gleiche Richtung und ich brauchte ihnen bis dahin nur zu folgen. Ich traf im Iran nur auf ca. zehn Menschen die Englisch sprechen konnten, das Bewundernswerte war aber, dass ich mich mit einer Vielzahl anderer genauso gut verständigen konnte. Sie wollten es eben!

Die Fahrt ging in nordöstlicher Richtung quer durch die Wüste und über eine Gebirgskette. Die erste Nacht verbrachte ich auf einen Rastplatz, die zweite direkt an der Strasse gegenüber einer Polizeistation. Da ich noch ein paar kleine Dörfer besichtigen wollte, fuhr ich auf Landstrassen zur Grenze, was eine ziemliche Herausforderung für Mensch und Maschine war aber ich wurde belohnt.

Traf ich doch wieder auf wunderbare Menschen, alten Gemäuer und vielen noch gut erhaltenen Ziegelbrennereien. Am 24.09.2014 kam ich am frühen Nachmittag in dem kleinen Grenzort „Bajgiran“ an. Dort war eine Reisegruppe, die mit ihren eigenen Fahrzeugen unter dem Titel „Abenteuer Osten“ geleitet von einem deutschen Reiseveranstalter, in entgegengesetzter Richtung fuhr. Sie hatten die Grenze schon hinter sich und wollten dort die Nacht verbringen. Wir hatten uns viel zu erzählen und ich lernte sehr nette Leute kennen, die mir wertvolle Tips mit auf den Weg gaben.

Leider befand sich aber keine Tankstelle in dem Ort, an der ich eigentlich meine letzten Rials noch in Diesel verwandeln wollte. Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, wieder zurück in die 65km entfernte Stadt „Quchan“ zu fahren aber dafür hätte ich auch wieder fast 2000Höhenmeter überwinden müssen und liess es lieber sein. Das war ärgerlich, hatte ich doch noch genügend Geld für 400L Diesel aber es war zu spät.

Die Kohle tauschte ich gleich mit einem aus der Gruppe in $. Die Nacht begann früh, da die anderen Reisenden am Tag zuvor nur wenig Schlaf bekommen hatten. Vor der Grenzüberfahrt in den Iran vernichteten sie noch ihre Alkoholreserven und waren nun ziemlich fertig. Die Gültigkeit meines Visums für Türkmenistan begann aber erst am nächsten Tag und so machte ich mich allein an die angefangene Flasche Wein und genoss die letzte kühle Nacht in den Bergen vom traumhaft schönen und geheimnisvollen Iran mit seiner jahrtausendalten Kultur.


























 < TÜRKEI -- IRAN -- TÜRKMENISTAN >